Ein paar Bemerkungen zum Geld

Einleitung

Die Finanzkrise der letzten Jahre hat zu einer Flut von Artikeln über Geld geführt.

Irritierend oft ist von regelrechten Weltuntergangsszenarien die Rede. Hier einige Beispiele.

Christian Siedenbiedel diskutiert in der FAZ ausführlich die Frage: "Sollte die Zentralbank mehr oder weniger Macht und Kontrolle über die Geldschöpfung haben?" und konfrontiert die Leser mit einer - aus volkswirtschaftlicher Sicht eher befremdlichen - Diskussion über Zentralbankgeld und Giralgeld. Und treibt dabei das bewährte Spiel von Missionaren in der Zeltmission: Er überfällt die Leser mit "Expertenwissen" und einem Thema, "über das man schon immer mal nachdenkenken wollte" - und wie in der Zeltmission ist die folgende Diskussion ebenso überflüssig wie belanglos.

Noch religiöser erfolgt dieselbe Diskussion bei den Piraten. die im einer AG Geldordnung und Finanzpolitik mit religiöser Inbrunst irrelevante Fragen zum Geldsystem mit einem Gemisch aus Trivialitäten und Unsinn beantworten. (Da ist dann "Bargeld" kein "Zentralbankgeld" und Sparer verleihen kein Geld an Banken, um nur einige Stilblüten zu nennen.)

Was ist Geld überhaupt?

Auf diese Frage gibt es mehre mögliche Antworten.

Auf Das Geldrätsel: Geschichte: Tauschmittel wird Geld als "Zwischentauschmittel" aufgefaßt. Diese Auffassung ist für ein historisches Verständnis durchaus hilfreich.

Tatsächlich ist es hilfreicher, Geld einfach als Maßeinheit für Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Wirtschaftssubjekten aufzufassen. Und dabei auf eine gegenständliche Deutung von Geld völlig zu verzichten.

Banknoten sind dabei Inhaberpapiere, die eine Forderung des Inhabers gegenüber der Notenbank beurkunden.

Parallel dazu kann Geld als Verbindlichkeit einer Bank gegenüber einer Nichtbank aufgefaßt werden, dabei steht "Bank" als pars pro toto für den Bankensektor als Teil des Wirtschaftskreislaufs.

Wie entsteht Geld?

Geld ist ein Kredit, den eine Bank einer Nichtbank gewährt hat. Aus Sicht der Nichtbank also eine Forderung.

Geldschöpfung ist also im Kern eine Kreditvergabe, etwas allgemeiner formuliert: ein Ankauf von Aktiva, durch eine Bank. Diese werden dann ihrerseits als Zahlungsmittel verwendet - im Prinzip ist das nichts anderes als die Fortsetzung der klassischen Tauschwirtschaft.

Auch dieses Phänomen wird in den Medien reichlich "beleuchtet".

Christian Siedenbiedel beteiligt sich an der Volksaufklärung mit einem beachtlichen Artikel in der FAZ. Darin erhellt uns Siedenbiedel mit der schier bahnbrechenden Erkenntnis: "Doch die Geldschöpfung der Banken ist ohnehin von anderer Natur. Wer das verstehen will, muss zunächst einen Definition akzeptieren: Geld, das sind heutzutage nicht nur Scheine und Münzen. Auch was irgendwo auf Konten schlummert, ist echtes Geld. Wenn Zahlen von einem Konto auf ein anderes wandern, fließt Geld. Man kann dafür Dinge kaufen und es sich auszahlen lassen."

Die Klappe fällt bei "von anderer Natur". Etwas, das aus "anderen Gründen" geschieht oder was jemand "von anderer Seite gehört hat" ist durchgängig zweifelhaft.

Grundsätzlich ist der Begriff "Geldschöpfung" verwirrend. Geld entsteht, wie weiter unten erläutert wird, als Forderung aus einem Tauschhandel, wobei Forderungen als Zahlungsmittel verwendet werden.

Die technischen Details sind zum Verständnis nicht wichtig, sie sind freilich auch kein Hexenwerk sondern ganz gewöhnliche Buchhaltung.

Vor allem aber sind Überschriften wie "Geld aus dem Nichts" völliger Quatsch.

Besonnders ausführlich wird die Geldschöpfung denn auch in diesem Aufsatz besprochen, ein Herr Senf fühlt sich bemüßigt, seinen selbigen von sich zu geben. Es gibt einen Wikipedia Eintrag zu Bernd Senf, nun gut, bei einer Nähe zu Wilhelm Reich fällt die Klappe. Es fehlt noch, daß Bernd Senf Orgonkisten anbietet, in die abends ein leerer Geldbeutel eingelegt werden kann, der morgens wohlgefüllt ist.

Jens Berger hat zu dem Thema ein Videopodcast gemacht.

Im Kern geht es um nichts anderes als Tauschandel. Zwei Wirtshaftssubjekte A und B schließen einen Vertrag über wechselseitige Lieferungen und Leistungen, bei beiden findet eine Bilanzverlängerung statt: A hat auf der Aktivseite eine Forderung an B und auf der Passivseite eine Verbindlichkeit an B - und umgekehrt. Und jetzt wird die Forderung als Inhaberpapier verbrieft und zum Zahlungsmittel. Der Schuldner bleibt immer derselbe, der Inhaber ändert sich.

Tatsächlich ist der eigentliche Kredit schon entstanden, als A und B handelseinig geworden sind. Nur sind die hier entstandenen Forderungen noch nicht als Zahlungsmittel geeignet. Um aus Forderungen Zahlungsmittel zu machen, sind einige Abstraktionen erforderlich.

  1. Einführung eines Maßstabes, einer Geldeinheit kurz GE. Historisch gesehen geschah das durch Einführung von Geld als Zwischentauschmittel, zunächst als Kurantmünzen. Eine frühe Standardisierung von Münzen und Edelmetallgewichten war das Karlsgewicht. Die später eingeführten Banknoten stellten zunächst Depotscheine für hinterlegte Kurantmünzen dar. Im Grunde ist der "Stoffwert" von Kurantmünzen völlig unwichtig, er ist überdies auch volatil, da weder die im Zahlungsverkehr verfügbare Menge, etwa, an Gold oder die verfügbare Menge an Waren und Dienstleistungen konstant ist. Es geht hier also eher um die Fälschungssicherheit von Münzen.
  2. Monetarisierung der Forderungen und Verbindlichkeiten, also die Zuordnung eines Preises in GE, und Abstraktion der Forderungen und Verbindlichkeiten von der konkret vereinbarten Lieferung oder Leistung zu einer abstrakten aber wertgleichen Lieferung oder Leistung.
  3. Übertragbarmachung der Forderung etwa in Form eines Inhaberpapiers oder vergleichbar.
  4. Titulierung der Forderung. Dies geschieht durch die Ausgabe von Bargeld. Rein rechtlich stellt Bargeld ein Inhaberpapier dar, daß eine Forderung des Inhabers gegenüber der das Bargeld ausgebenden Notenbank beurkundet.

Es wird an dieser Stelle ganz bewußt auf die Unterscheidung von Zentralbankgeld und Giralgeld verzichet. Das geschieht nicht, um die "Zeugen des Zentralbankgeldes" oder die "Kirche des Giralgeldes der Heiligen der Globalisierung" oder andere Geistlichkeiten zu verärgern, sondern um die ebenso unsinnige wie verwirrende Denke der "zwei Gelder" gar nicht erst aufkommen zu lassen. Unterscheidungen wie die von von ὁμοούσιος   homoousious und  ὁμοιούσιος sind etwas für Theologen, nicht für die Wirtschaft. (Die ist rechtgläubig katholisch, Zentralbank- und Giralgeld sind ὁμοούσιος , man darf nicht einfach ein Jota dazu tun...) Nach dem hier vorgetragenen Verständnis ist Geld eine Verrechnungseinheit und nicht gegenständlich. Daher ist es auch belanglos, in welcher Bilanz eine Forderung bzw. Verbindlichkeit auftaucht.

Videos wie diese hier sind also in aller Regel Unsinn.

Da ist von "Geldschöpfung" die Rede und "Banken erschaffen Geld aus dem Nichts" und "Geld entsteht wenn Leute einen Schuldvertrag unterschreiben", das ist, trotz der akademischen Weihen einiger der hier aufgeführten Redner zum Trotz, schlichter Quatsch.

Ein Herr von den Piraten erträumt sich eine Privatwirklichkeit mit "Geld entsteht, Geld vergeht".

Geld entsteht nicht, es vergeht auch nicht, es wird auch nicht geschöpft oder sonst etwas, es geht um Forderungen und Verbindlichkeiten, die in Geldeinheiten gemessen werden. Und die entstehen nicht erst in "Schuldverträgen" mit einer Bank, vielmehr entstehen Forderungen und Verbindlichkeitem ganz genau da, wo Wirtschaftssubjekte miteinander einen Vertrag schließen und sich daraus wechselseitig Forderungen und Verbindlichkeiten ergeben.

Geld "gibt" es im materiellen Sinne ebensowenig, wie es Zahlen im materiellen Sinne "gibt", es ist, im Dedekindschen Sinne, eine freie Schöpfung des menschlichen Geistes, um den Wert von Leistungen und Waren zu vergleichen und Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Wirtschaftssubjekten zu messen.

Geld beschreibt Schuldbeziehungem zwischen Wirtschaftssubjekten:

Und insbesondere sind derartige Forderungen und Verbindlichkeiten völlig unabhängig von Banken.