Zur Geldsystemkritik
Es hat sich in den letzten Monaten soviel auf meiner Seite angesammelt, daß ich versuchen muß, mal etwas Ordnung zu schaffen. Außerdem dient es niemandem, andauernd dieselben Dinge zu besprechen. Ich will daher versuchen, wenigstens zum Thema Geldsystemkritik mal ewas Ordnung in das ganze Chaos zu bringen.
Eigentlich ist die ganze Geldystemkritik ein Nebenthema. Harald Wozniewski hat in seinen Anmerkungen zur Geldwesenkritik bereits beachtliches dazu gesagt.
Ich will versuchen, aus einer anderen Sicht noch etwas Ordnung in die Sache zu bringen.
Grundsätzlich sehe ich in jüngerer Zeit drei große Schlagworte, die immer wieder kursieren. Allen gemeinsam ist, daß sie monokausale Erklärungen für das Wirtschaftsgeschehen anbieten und daß sie jeweils derart viele Anhänger um sich scharen, daß man schon von fast von Religionen reden kann.
- Geldschöpfung
- Dasselbe Thema nochmal etwas anders auf gebaut: Das Märchen vom "Giralgeld"
- Zins
- Debitismus
Mit diesen drei Themen ist das schier uferlos erscheinende Thema der Geldsystemkritik eigentlich abgehakt. Und wenn ich meine Sache gut gemacht habe, dürfte der Leser vermutlich an etwa 19 von 20 "Infoständen" zu dem Thema in der Fußgängerzone einen Verweis auf meine Homepage abgeben können - und das Thema wäre erledigt. Das würde uns in der ganzen Diskussion der heutigen "Krisen" auch etwa 95% der Zeit sparen und damit die Möglichkeit einräumen, uns mal um die wichtigen Dinge zu kümmern.
Geldschöpfung
Der Begriff Geldschöpfung spielt im Grunde genommen mit dem Begriff des Münzregals.
Das Recht, Münzen zu prägen war ein Hoheitsrecht, es wurde vom Landesherrn ausgeübt bzw. delegiert und nur, wer das Münzregal innehate, durte Münzen, also Zahlugsmittel, herstellen.
Das ganze verbindet sich mit der Vorstellung, daß Zahlungsmittel bzw. Münzen "stoffwerthaltig" sind, d.h. um ihres stofflichen Wertes willen begehrt werden. Derartige Münzen sind als generisches Tauschmittel geeignet.
Tatsächlich existiert auch heute noch hin und wieder die Vorstellung, das "einzige", "echte" Zahlungsmittel sei Gold, dieses liege in großen Mengen in den Tresoren unserer Banken und die Geldscheine seien "Pfandzettel", mit denen man bei der Notenbank Gold im ausgezeichneten Wert des Pfandzettels abholen könne.
Gerne verweise ich hierzu auf den Aufsatz Die SNB und das Märchen von der Geldschöpfung von Marc Meyer. Marc Meyer vertritt die Position, daß nicht eine Bank "Geld schöpft" - sondern das Wirtschaftssubjekt, daß dieses Geld bei der Bank "einzahlt". Bei Meyer verleihen Banken kein Geld, sie leihen es sich vom Kunden.
So bizarr diese Auffassung klingen mag: Deutlicher kann man es nicht richtig sagen.
Nach der allgemein anerkannten Vorstellung wird wirtschaftliches Handeln als eine Menge von Tauschgeschäften aufgefaßt, bei der zwei Wirtschaftssubjekte ihre Tauschgüter direkt oder indirekt über Finanzintermediäre austauschen.
Und tatsächlich ergibt sich beim Vertragsschluß zwischen zwei Wirtschaftssubjekten ein wechselseitiges Paar von Forderungen und Verbindlichkeiten - und sofern wir Finanzintermediäre einschalten, sind es ganz genau die bei Vertragsschluß entstandenen Forderungen, die wir über Finanzintermediäre umlauffähig machen.
Marc Meyer würde richtig sagen: "Wer einen Vertrag schließt, schöpft Geld." Und genau dieses Geld bringen wir mit Banken in Umlauf.
(Das ist auch genau das Grundsystem im Kapitalismus: Unternehmen "schöpfen Geld", indem sie ihr Kapital beleihen, also Kredite aufnehmen, und die aufgenommenen umlauffähigen Forderungen bringen sie über Löhne und Gehälter in Umlauf.)
Die Werte, die in der Wirtschaft ausgetauscht werden, die in der Wirtschaft "erzeugt" werden, sind diese Tauschgüter. Und nicht das buchhalterische Geschehen, das den Tausch dokumentiert bzw. hilft, diesen zu verrechnen.
Schließlich bedeutet Wirtschaftswachstum auch nicht, daß man irgendwo Gold einpflanzt, es hegt und pflegt und umsorgt, und dabei vermehrt es sich dann hoffentlich.......
Vielmehr bedeutet Wirtschaftswachstum (anschaulich!) daß Häuser, Straßen und Brücken gebaut werden, Nahrungsmittel werden erzeugt, ebenso Verbrauchsgüter, und so weiter. Es werden reale Werte geschaffen.
Das Geld, das als Zahlungsmittel umläuft, spielt dabei haptisch die Rolle eines Zwischentauschmittels, buchhalterisch bedeutet der Tausch Geld gegen Gut bzw. umgekehrt nichts anderes als einen Aktivtausch. Und ob ich Forderungen nun durch stoffwerthaltige Goldstückchen oder künstlerisch wertvoll gestaltete Zettelchen dokumentiere und umlauffähig mache, ist kaufmännisch einerlei.
Es sei hier angemerkt, daß die Geldmenge eine eher untergeordnete Rolle spielt, Geld bezeichnet die umlaufenden Forderungen, es ist ein reines "Transportmittel". Und nicht, wie der Monetarismus formuliert, die entscheidende Einflußgröße einer Volkswirtschaft.
Vor allem ist es bereits angeklungen, daß in einer Marktwirtschaft die Unternehmen durch Kreditaufnahme Geld in Umlauf bringen und damit die Geldmenge bestimmen. Der Gedanke, daß jetzt der Staat an der Geldmenge herumschrauben soll, ist, zurückhaltend formuliert, kompletter Schwachsinn.
Begehrt werden in jedem Fall die realen Werte, nicht die Forderungen darauf.
Das Märchen vom "Giralgeld"
Über das Giralgeld dürfen Banken angeblich soviel Geld "schöpfen", da gibt es dann ein Fractional Reserve Banking und was nicht sonst noch alles hübsches.
Eigentlich ist "Fractional Reserve Banking" altchinesisch und heißt auf Deutsch: "Wil velwillen Kanzlelin Melkel".
Geradezu religiöse Züge nimmt die Unterscheidung von “Bargeld”, “Buchgeld”, “Giralgeld” und “Zentralbankgeld” bei den Piraten und ihrer AG Geldordnung und Finanzpolitik an.
Der Wikipedia Artikel zum Giralgeld ist hier übrigens ausdrücklich zu loben, da er das dort diskutierte "Buchgeld" bzw. "Giralgeld" von Bargeld deutlich abgrenzt: Giralgeld ist eine Forderung gegenüber einer Bank, die sich aus einem Vertragsverhältnis ergibt.
Damit platzt auch das ganze Märchen von der "Geldschöpfung", denn wenn mir meine Geschäftsbank einen Kredit gibt, ist das buchhalterisch nicht mehr und nicht weniger Geld als wenn mir mein Stromversorger die Zahlung der nächsten Rate stundet.
Schauen wir doch mal auf einen Scheck. Ich habe hier mal ein Bild eines solchen eingefügt.
Und auf diesem steht klar und deutlich: "Zahlen Sie gegen diesen Scheck", es handelt sich also um eine Zahlungsanweisung. Analog wäre der Sachverhalt bei einer "Bankanweisung", bzw. Überweisung: Wenn ich per Scheck oder Bankanweisung zahle, zahle nicht ich, ich weise meine Bank an, eine Zahlung zu leisten.
Sofern der Zahlungsempfänger ein Konto beim selben Geldinstitut hat wie ich, läuft die Anweisung darauf hinaus, daß die Bank ihre Verbindlichkeiten mir gegenüber mindert und die Verbindlichkeiten dem Zahlungsempfänger gegenüber mehrt. Es handelt sich dabei um eine rein bankinterne Buchung.
Sofern der Zahlungsempfänger sein Konto bei einer Fremdbank hat, leistet die von mir beauftragte Bank eine Zahlung unter Einsatz eigener Vermögenswerte, siehe Harald Wozniewskis Napoleon zu dem Thema.
Aus dieser Sicht brauche ich die Metapher vom "Giralgeld" gar nicht. Die Einlagen, die ich bei einer Geschäftsbank habe, sind Forderungen gegen die Geschäftsbank, die sich aus dem Vertragsverhältnis zwischen mir und meiner Bank ergeben.
Die Mindestreserve, die meine Bank bei der Zentralbank hinterlegt, hat dabei den Sinn, daß meine Bank genügend eigenes Vermögen hat, um Barauszahlungen an mich zu leisten, bei denen ich im Rahmen des Vertragsverhältnisses meine Forderungen geltend mache, oder aber Bankanweisungen im Sinne eines Schecks oder einer Überweisung nachkommen zu können, sofern dies Vermögenswerte meiner Bank erfordert.
Ein paar Literaturhinweise und Anmerkungen zum Schluß: http://www.deweles.de/files/nebel_im_senf.pdf In seinem Aufsatz Nebel im Senf äußert sich Stefan Wehmeier zum “Geldschöpfungstheoretiker” Bernd Senf. Freilich geht es da auch nicht ohne eine etwas süßliche Bewunderung gegenüber Silvio Gesell ab, das ganze ist nicht frei von Glaube und Religion.Zins
"Ich hab für dich nen Blumentopf, nen Blumentopf bestellt! Und hoff, daß dir der Blumentopf, der Blumentopf jefällt! Es ist der schönste Blumentopf, der schönste auf der Welt, drum jieß mir meinen Blumentopf, daß er sich lange hält!"
Einer meiner liebsten Leser wird mir jetzt die Tippfehler vorhalten. Und danach zur Polizei rennen und mich als psychisch jestört melden, ich hätte das Lied vom Blumentopf falsch jeschrieben.
Jedenfalls lernen wir das so als Kinder: Man pflanzt Jeld in nen Blumentopf (i.e. bringt es aufs Sparbuch) und dann vermehrt es sich von allein, es "wächst". Es vermehrt sich wie von selbst.
Ursache sei der Zins.
Den Wikipedia Artikel zitiere ich aus zwei Gründen. Erstens muß ich ich thematisch davon abgrenzen, zweitens wird mein Lieblinsleser Holger aus Bremen mich wieder des Plagiats beschuldigen und unter dem grandiosen Pseudonym "Mustafa Yildiz" alles mögliche über mich in Umlauf setzen. (Ich weiß, daß das hier nicht hingehört. Aber ich wollte meinen Lieblingsleser mal würdigen.)
Inhaltlich ist der Artikel gut gemeint - scheitert aber daran, daß er versucht, ein "Phänomen Zins" zu erklären, und damit dämonisiert er den Begriff genauso wie Andreas Popp, Bernd Senf, Helmut Creutz, Dirk Müller, Paul C. Martin und die ganzen übrigen "Laut-Sprecher" der Geldsystemkritik.
Zur allfälligen Disksussion über die häufig judenfeindliche Ausrichtung der Zinskritik verweise ich hier auf den Aufsatz Politische Ökonomie des Antisemitismus von Robert Kurz. Kurz formuliert in diesem Text: “Politische Ökonomie des Antisemitismus« meint, daß es einen strukturellen und historischen Zusammenhang zwischen der verkürzten Kritik des zinstragenden Kapitals und dem Antisemitismus gibt. Ideologisch handelt es sich um die beiden Seiten derselben Medaille, wobei der offene Antisemitismus sozusagen die »Kopfseite« bildet.” Auch wenn Kurz vor Verallgemeinerungen warnt, solltebeim Wort Zinskritik sofort die Warnlampe aufgehen, bei etwas deutlichem Hinsehen sind Zinskritiker gerne Leute, die laut von Zinsen reden - und dabei leise an Auschwitz denken.
In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf folgenden Vortrag von Lothar Galow-Bergemann. Der Vortrag ist schwierig und durchaus nicht in allen Punkten mit meiner Meinung konform, dennoch halte ich ihn im Zusammenhang mit einer Diskussion über Zins und Kapitalismus für höchst angregend.
Galow-Bergemanns Hinweise auf "Jud Süß" in youtube und auch auf die ersten 70 Seiten von Hitlers "Mein Kampf" sind sicher eine Herausforderung an den Hörer. Der Vortrag skizziert deutlich den im Film Jud Süß aufgebauten Gegensatz des "leistungslosen Einkommens" des "raffgierigen Finanzjuden" Joseph Süß-Oppenheimer und dem Arbeitseinkommen des ehrlichen Abeiters, letzteres paßt wieder zur Ideologie Feders.
Und leider auch gar zu gut zur "Gummistiefelpolemik" manches braunen Bodensatzes, der sich derzeit leider sogar in scheinbar linke Kreise eingenistet hat.
Eigentlich geht das mit dem Wort Zins schon los, denn dieses Wort gebrauchen wir fast schon inflationär: - Zinsen, die wir für Sparguthaben bekommen, - Zinsen, die wir für Kredite zahlen, - Leitzinsen der Notenbank - Mietzins Und ignorieren dabei, daß es sich dabei um ganz unterschiedliche Sachverhalte handelt.
Wir tun uns etwas einfacher, wenn wir mal im kaufmännischen Bereich anschauen, was Zinsen überhaupt sind. Wenn ich etwa bei einer Bank einen Kredit aufnehne, möchte die Bank von mir, die Liste ist möglicherweise nicht vollständig,
- eine Entschädigung für Geldentwertung durch Inflation. Wir leben mit einem Inflationsziel von knapp 2%, ein Geldverleiher möchte das kompensiert haben. Nun wird man mir vorhalten, daß eine Bank, die mir Geld leiht, gar keine Kundeneinlagen verleiht. Hier bin ich jetzt mal faul und verweise auf Harald Wozniewski und seinen Napoleon. Etwas differenzierter kann eine Bank natürlich Zahlungsmittel durch eine reine Bilanzverlängerung erzeugen, diese sind aber nur innerhalb ihres eigenen Kundenkreises zu gebrauchen, formaler: nur solange ein Zahlungsvorgang ein reiner Passivtausch bei der hier tätigen Bank ist. Wenn eine Bank Zahlungsmittel ausreichen will, die nicht nur zwischen den eigenen Passiva hin und her geschoben werden sollen, muß sie auf Dritte gezogene Wechsel ausreichen, dazu kann sie z.B. Geld von der Zentralbank leihen oder auf Guthaben bei der Zentralbank zurückgreifen, die z.B. durch Spareinlagen zustande gekommen sind. Also: Spareinlagen verleihen. Hier machen sich das viele Geldsystemkritiker schlicht zu einfach.
- eine Entschädigung für ggf. entstandene Opportunitätskosten, der Sparer, dessen Geld mir die Bank geliehen hat, hätte sein Geld auch bei einer anderen Bank ertragreicher investieren können.
- eine Risikoprämie für einen möglichen Kreditausfall. (Die beiden vorherigen Punkte hätte man auch als Prämie für die von der Bank vorgenemommene Fristentransformation zusammenfassen können.
- Und schließlich muß auch noch jemand das "Doing", wie man das auf Neudeutsch nennt, machen und die Bank muß Miete und Strom zahlen, sprich: sie berechnet eine Forderung für die erbrachte Dienstleistung.
Das sind nun alles einzelne, nachvollziehbare Posten, daran ist nichs geheimnisvolles.
Das vielleicht wichtigste aber ist:
Durch Zinsen entsteht kein Geld, durch Zinsen vergrößert sich die Geldmenge nicht. Alle Vergütungen, die ich oben genannt habe, sind Vergütungen für Leistungen bzw. Risikoprämien, die in gleicher Weise mit Waren, Leistungen oder Weitergabe von Forderungen erbracht werden wie in jedem normalen Handelsgeschäft, das ist nichts anderes, als ob ich mir ein paar Schuhe kaufe.
Die Geldmenge vergrößert sich in unserem Wirtschaftssystem ganz genau an einer einzigen Stelle, nämlich dort, wo ein Leister oder Lieferer eine Bilanzverlängerung "Forderungen aus Lieferungen und Leistungen -> Umsatzerträge" bucht - und ganz genau nirgendwo anders. Wenn ich hier gedanklich ein Passivkonto "Verfügbare Arbeitskraft" einführte, auch das ist nicht endlos, könnte ich statt einer Mehrung des Aktivpostens "Forderungen aus LL" auch eine Minderung des Passivpostens "Verfügbare Arbeitsfkraft" einsetzen.
Die Geldmenge erhöht sich also ganz genau dann, wenn ein Wert im Sinne von gespeicherter Arbeit entstanden ist und derjenige, der diese Arbeit geleistet hat, nicht etwa das Produkt seiner Arbeit selbst verbraucht, weil er etwa als Selbstversorger lebt, sondern das Produkt seiner Arbeit weitergibt - im Tausch gegen eine (im einfachsten Fall auf den Empfänger des Produkts gezogene) Forderung auf eine angemessene Gegenleistung.
Das war jetzt mal "Marktwirtschat in a Nutshell" - und das erschreckende ist: Mehr steckt da wirklich nicht hinter. Das war alles.
Man kann das differenzierter bertrachten, dann landen wir in der Arbeitswerttheorie, aber als Einstieg in den Gedanken, daß Geld gespeicherte Arbeit ist und daß "Geld verdienen" voraussetzt, daß die erbrachte Arbeitsleistung von einem Leistungsempfänger vergütet wird, mag das reichen.
Vor allen das letztgenannte ist wichtig: Wenn sich für eine Arbeit niemand findet, der diese Arbeit vergütet, kann aus noch so viel Arbeit niemals Geld entstehen.
Die Diskussion des Unsinns vom Josephspfennig überlasse ich jetzt dem Leser als kleine Hausaufgabe.
Eine Bemerkung am Rande, weil das in den Wirtschaftsteilen vieler Zeitungen wirklich kaum jemand verstanden zu haben scheint: Wie ich oben schrieb, kann ein Zentralbankguthaben einer Geschäftsbank durch Spareinlagen oder durch Kredite bei der Zentralbank zustande kommen. In beiden Fällen zahlt eine Geschäftsbank Zinsen. Hier stehen also die Zentralbank und die Sparer als Gläubiger der Geschäftsbank im Wettbewerb. Und ein Sparer möchte sein Geld vielleicht billiger verleihen als es die Zentralbank tut - sonst würde die Geschäftsbank das Geld von der Zentralbank leihen - aber bitte nicht gar zu viel billiger, man will es mit dem Altruismus ja nicht übertreiben.
Genau an dieser Stelle wirkt sich der Leitzins der Zentralbank auf die Sparzinsen von Bankkunden aus: Ist der Leitzins hoch, können Sparer, ganz im Sinne von Angebot & Nachfrage, hohe Zinsen verlangen, ist der Leitzins niedrig, werden Bankkunden mit niedrigen Zinsen leben müssen, weil sich die Geschäftsbank sonst bei der Zentralbank billiger mit Geld versorgen kann.
Die Frage, warum eine Geschäftsbank nicht nur mit Krediten von der Zentralbank leben kann, will ich hier aus Platzgründen nicht vertiefen, aber auch Kredite bei der Zentralbank sind an Bedingungen geknüopft, hier verweise ich auf die Wikipedia Artikel zu Offenmarktgeschäften und Pensionsgeschäften, das sind meines Wissens die zentralen Instrumente, mit denen zumindest die EZB Geld in den Markt ausreicht.
Ein weiteres Instrument sind z.B. die OMT, bei denen die EZB Staatsanleihen aufkauft. Hier hat es viel Kritik gegeben, die aber zum Teil etwas am Ziel vorbeischießt: Wenn ein Staat seine Schulden nicht begleicht, und eine Geschäftsbank dadurch in Schieflage gerät, wird das ganze eh darauf hinauslaufen, daß sich die Bank bei der EZB mit Liquidität versorgt - notfalls muß "jemand geeignetes" dafür bürgen. Dieser "jemand" könnte dann beispielsweise ESM heißen.
Anders gesagt: Es ist im Ergebnis ziemlich egal, ob die EZB eine Geschäftsbank in Schieflage rettet (und die Euro-Länder für die EZB haften) oder ob es der ESM tut (und die Euro-Länder für den ESM haften). Freilich ist das letztere deutlich teurer, den im OMT Fall entscheidet Draghi allein, im ESM Fall ist garantiert mal wieder eine Krisensitzung der Euro Finanzminister (natürlich in Gegenwart unserer Imperatrix) nötig, und das kostet wieder Reisekosten und Kaffee.
Debitismus
Bevor ich überhaupt weitermache, verlinke ich erstmal auf einen Vortrag vom "Wilden Schmidt. Gleich beim Reinhören stoße ich bei 10:33 auf den Vorwurf, Darwin hätte die Abiogenese nicht behandelt. Nun weiß ich nicht, wo der Wilde Schmidt seine vielen Doktortitel her hat, aber von Wissenschaft hagt er keine Ahnung, ich kann einen Autor nur für das kritisieren, was er geschrieben hat. Darwin hat sich nicht zur Abiogenese geäußert - er hat dazu nichts gesagt, vor allem auch nichts falsches. Das ändert nichts daran, siehe dieses Video, daß wir heute recht genaue Vorstellungen haben, wie die Abiogense gelaufen sein könnte. Wobei ich mich in dem Video allerdings am Wort "erklärt" stoße. Wissenscaft erklärt genau gar nichts, wer als "Wissenschaftler" das Wort "erklären" benutzt, ist kein Wissenschaftler sondern begeht einen Kategorienfehler.
Notiz: In seinen Anmerkungen zu Marx hebt Martin das "Bargeld" hervor und bezeichnet das Bargeld als das "Loch" in der Marxschen Theorie. Während sich Martin in seinem Buch zum Kapitalismus anschließend als verkanntes Genie beweihräuchert, zeigt er an dieser Stelle nur, daß er Marx genausowenig verstanden hat wie den Rest unseres Wirtschaftssystem.
Vielleicht fange ich gleich mal mit einem Video an. Dirk Müller schwafelt von "Geldschöpfung", und der ganze Rest der in diesem Video umeinanderkrähenden Gestalten macht eigentlich< bereits deutlich, daß der "Debitismus" eigentlich eher in den Wiender Narrenturm gehört als in die Debatte.
Scheinbar etwas geordneter geht is im Aufsatz Verschuldung, Geld und Zins Grundlegende Kategorien einer Wirtschaftstheorie von Stuart Enghofer und Manuel Knospe zu.
Die etwas wirren Ausführungen zum Thema "Schuld" lasse ich hier mal unkommentiert, da geht es dann um die ach so tolle Dissertationsschrift von Gunnar Heinsohn und wende mich gleich dem Kapitel 2, "Das Geld", zu, an dessen Anfang gleich mit einem bemerkenswerten Aperçu von Friedrich August von Hayek geglänzt wird: "Es ist widersprüchlich, Prozesse zu diskutieren, welche annahmegemäß ohne Geld gar nicht stattfinden können, und gleichzeitig anzunehmen, es gäbe kein Geld oder dieses hätte keinen Effekt."
Nun, Ökonomen sind nicht zwingend für eine profunde Bildung in Mathematik bekannt. Ob nun Hayek selber hinter diesem Satz zwingend eine dinglich-materielle Deutung von Geld gesehen hat, weiß ich nicht zu sagen, Enghofer und Knospe tun es jedenfalls. Folglich bietet das Kapitel 2 denn auch eine umfangreiche Erläuterung des Geldes, seiner Entstehung und allerlei drollige Diskussionen über mehrstufige Banksysteme, der Unsinn ergießt sich so über 25 Seiten.
Zum Vergleich: "die Zahlen sind freie Schöpfungen des menschlichen Geistes, sie dienen als ein Mittel, um die Verschiedenheit der Dinge leichter und schärfer aufzufassen." Zitiert aus Was sind und was sollen die Zahlen? von Richard Dedekind. So einfach kann man komplizierte Dinge auf den Punkt bringen. Und man hätte den Satz eigentich fast wörtlich abschreiben können: "Geld ist eine freie Schöpfung des menschichen Geistes, es ist ein Maß um den Tauschwert von Waren und Leistungen miteinander vergleichen und verrechnen zu können."
Wofür Heinsohn eine ganze Dissertation braucht und Enghofer/Knospe 25 Seiten, braucht ein normaler Mensch nicht mal 25 Worte. (Wenn jemand - im Gegensatz zu mir - wirklich konzis formulieren kann, kriegt der das noch knackiger hin als ich es versucht habe.)
Notizen, Links zum Debitismus: https://rheingoldblog.wordpress.com/2012/06/10/debitismus-rheingold-das-geldsystem-gut-erklaert/ https://rheingoldblog.wordpress.com/die-klassischen-banken-und-das-rheingold/ http://www.trend.infopartisan.net/trd1010/t081010.html Kritik der neoklassischen Wirtschaftslehre http://de.wikipedia.org/wiki/IS-LM-Modell Das sei angeblich völlig falsch http://www.10-dax-systeme.bplaced.net/buch-Der-Kapitalismus-paul-c-martin.pdf Auszüge aus dem Buch http://www.system-debitismus.de/Alte_News8.html Lord Weidenfeld
Mit dem "Loch in der Mitte" nervt Paul C. Martin vor allem in Der Kapitalismus, ein System das funtionert, Teil 1.
Der Wikipedia Eintrag zum Debitismus zeigt denn auch, daß das ganze eher in den Bereich der Ideologien gehört. Anstelle des seit Adam Smith akzeptierten Modells, die Wirtschaft als Tauschhandel zu verstehen, sondern als Summe von "Schuldverhältnissen", der Wikipedia-Artikel zählt "Urschuld", "Religiöse Schuld", "Kontraktschuld" und "Abgabenschuld" auf. Im Kern stehe ein Modell von "Geldschöpfung", ein Begriff, bei dem ich im zugehörigen Abschnitt deutlich mache, daß er schierer Unsinn ist.
Hier wird also auf ein Unsinnsmodell ein noch kruderes Modell drübergetüncht.
Meine Restüberlegung ist, ob David Graeber zu den Urhebern dieses Modells gehört oder ob er nur nachträglich mit seinem Buch dafür vereinnahmt wurde.
Ich habe hier noch einen Beitrag in einem Diskussionsforum dazu gefunden. Sehe aber dennoch nicht, welche grundlegend neue Erkenntnis uns dieses Modell liefern soll.
Grundsätzlich sollte ich ergänzen, daß ich in meinen Überlegungen immer Waren und Leistungen im Vordergrund habe. So interessant die Erfindung des Geldes auch immer sein mag - die Welt funktioniert seit dem Urknall mutmaßlich seit 14 oder 15 Milliarden Jahren. Davon vielleicht die letzten 2500 Jahre mit Geld und vielleicht seit 1000 Jahren mit einem Geldbegriff, der dem heutigen einigermaßen ähnlich ist.
Hier nun eine neuzeitliche Theorie als Grundlage für antikes Wirtschaften zu nehmen, klingt fast so, als hätte die Abiogenese nicht ohne moderne Computertechnik stattfinden können und man hätte in der Ursuppe erstmal einen Webbrowser installieren müssen, damit die ersten Zellen entstehen.
Anders gesagt: Wirtschaft wird immer auch ohne Geld funktionieren. Aber Geld funktioniert nie ohne Wirtschaft.
Dankenswerterweise hat es Franz Hörmann unternommen, die wesentlichen Thesen von Paul C. Martin, dem Begründer des Debitismus, in einem Dokument zusammenzufassen.
Weitere Teile sind hier verlinkt. Insbesondere Der Kapitalismus, ein System das funtionert, Teil 1.