Die Sache mit dem Josephspfennig

Die Geschichte vom “Josephfspfennig” ist ein Dauerbrenner in den Medien. Hier als Beispiel ein Beitrag des ORF, in dem Dirk Müller ("Mr. DAX") die Geschichte, durchaus leidenschaftlich und emphatisch, vorträgt. Die Entstehtung dieser “Lehrgeschichte” wird in Wikipedia beschrieben.

Was soll die Geschichte vom Josephspfennig vermitteln?

Der Urheber der Geschichte, Richard Price, war Moralphilosoph und Geistlicher. Ihm dürfte es also nicht nur um eine rein ökonomische Abhandlung gegangen sein, vielmehr wollte Richard Price mit der Parabel vom Josephspfennig eine inhaltliche Aussage transportieren.

Tatsächlich ist die inhaltliche Aussage eine zweifache, weshalb sich mir nicht ganz erschließt, warum Richard Price angeblich vorgeschlagen haben soll, die Regierung solle mit der beschriebenen Anlagestrategie ihre Finanzen verbessern. Der erste Punkt, um den es beim Vortrag dieser Parabel geht, ist, daß in der Natur ein unbegrenztes Wachstum nicht vorkommt. (Das ist dann immer ein Feuerwerk für Creutzianer und andere Jünger von Silvio Gesell.) Das zweite ist die altbekannte Kritik der Kirche (Richard Price war unitarischer Geistlicher) an der Gier. Es dürfte Price also auch um die Kritik an der Geldvermehrung durch Zinsen gegangen sein, da vor allem in der protestantischen Arbeitsethik ein leistungsloses Einkommen abgelehnt wird.

Zu Zinsen habe ich mich selber bereits hier geäußert. Auch hier ist recht ordentlich dargestellt, worum es geht: Der Begriff “Zins” ist letztlich ein Oberbegriff für konkrete Aufwände, die einem Kreditgeber, Wohnungsgeber etc.  durch einen Kredit, einen Mietvertrag etc.  entstehen und die nach Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 670 Ersatz von Aufwendungen zu ersetzen sind. Dies ist in keiner Weise unmoralisch und, da Aufwendungen gemacht werden, auch kein “leistungsloses Einkommen”.

Beim Wachstum muß ich Wachstum der realen Gütermenge und Wachstum bei Preisen unterscheiden. Daß die reale Gütermenge nicht unbegrenzt wachsen kann, ist unstrittig. Preise und Löhne hingegen können unbegrenzt steigen. Und das stört auch niemanden, weil es bei Preisen und Löhnen nicht auf die absolute Höhe ankommt, sondern, da in der Wirtschaft Güter/Leistungen gegen Güter/Leistungen getauscht werden, auf das Tauschwertverhältnis. Und wenn ich da für eine Apfelsine 5 Zwiebeln kriege, ist es mir egal, ob die Apfelsine 1,- € kostet und die Zwiebeln 20 Cent, oder eine Apfelsine 500 Griwna und eine Zwiebel 100 Griwna. Es ist mir sogar egal, wie die verwendete Geldeinheit genannt wird. Geld ist in der heutigen Wirtschaft immer nur ein “Zwischentauschmittel” ohne eigenen materiellen Wert. Etwas formaler könnte man auch sagen: Bargeld ist ein reines Buchungsvehikel. Bargeld stellt kaufmännisch eine Forderung des Inhabers gegen die Notenbank dar. Als solche taucht sie beim Inhaber auf der Aktivseite und die zugehörige Verbindlichkeit bei der Notenbank auf der Passivseite der Bilanz auf. Der Rest des Geldverkehrs ist ganz gewöhnliche kaufmännische Buchführung.

Wie ist die Geschichte vom Josephspfennig inhaltlich zu werten?

Interessant ist zunächst die Vorstellung, die Richard Price von Geld hat. Sie ist auch als Dagobertismus bekannt: Geld ist etwas, was bei der Bank in einem Geldspeicher liegt. Und die Vermehrung läuft dann wohl auch ganz einfach: Man nehme Geld, pflanze es in recht guten Boden, dünge es, gieße es, hege es, pflege es - und es wächst.

Richard “Miss Marple“ Price fällt hier auf einen typischen Abduktionsschluß herein: “Wo Rauch ist, da ist auch Feuer.” “Da ist doch, also da muß doch....”

Leider ist diese Art des Denkens in bildungsfernen Schichten recht verbreitet. Man meint etwas zu beobachte, versteht es nicht - und stellt dann mehr oder weniger bizarre Hypothesen auf, um das beobachtete zu “erklären” - obwohl es gar keiner Erklärung bedarf, weil z.B. das behauptete Phänomen gar nicht existiert oder falsch beschrieben wird, bzw. falsch modelliert wird.

Das letztere ist hier der Fall.

Die Modellbildung beim Josephspfennig teilt die Menschen in zwei Klassen ein. Die Klasse der Geldverleiher und die Klasse der Kreditnehmer. Die Geldverleiher verleihen Geld (das sie, siehe meine Bemerkungen zur “Geldschöpfung” angeblich auch noch selber herstellen....) und nehmen von den Kreditnehmern dafür Zinsen (die Kreditnehmer natürlich nicht aufbringen können, sie dürfen ja kein Geld herstellen).

Daß die beiden vorgenannten Klassen gar keine Klassen sind, sie sind nicht disjunkt, die Menge der Geldverleiher und die Menge der Kreditnahmer sind identisch, wird geflissentlich übersehen.

Bei jedem Kredit tritt ein Mensch als Kreditgeber und ein anderer als Kreditnehmer auf.

Tatsächlich treten Menschen, in verschiedenen Rechtsgeschäften, üblicherweise sowohl als Kreditgeber wie auch als Kreditnehmer auf und so unterliegt das Bild vom Josephspfennig genau demselben Denkfehler die übliche Kettenbriefe, wo letztlich jeder Teilnehmer der Kette meint, er sei der einzige auf der Welt, der letztlich groß abkassiert. Daß er selber bis zum Eintritt dieses Ereignisses viel Geld gezahlt hat, wird verdrängt. Insbesondere kann mit Kettenbriefen kein Geld vermehrt werden. Und allein mit dem Umeinanderleihen von Geld vermehre ich Geld auch nicht.

Am Ende wird nur die Menge der verfügbaren Güter zwischen immer denselben Menschen hin- und hergeschoben, daran ändert sich selbst dann nichts, wenn sich die nominale Geldmenge über die Jahre erhöht, aber die Gütermenge kann der “Josephspfennig” nicht erhöhen und eine Konzentration von Vermögen findet auch nicht statt.

Selbst wenn ein am Leihvorgang beteiligter Finanzintermediär, eine Bank ist ein solcher, eine Risikotransformation vornimmt, ist das eine Leistung, ein Aufwand, den der Kunde kompensieren muß, und dies geschieht durch eine Gegenleistung. Und natürlich geschieht hier Wertschöpfung, der so geschaffene “Mehrwert” ist brav nach der Marx'schen Arbeitswerttheorie im Tauschwert der realen Güter gespeichert, folglich können die Güter zu erhöhten Beleihungswerten beliehen werden und die Geldmenge kann sich vergrößern, aber die reale Gütermenge erhöht sich in Summe nicht.

Geld wird in unserem Wirtschaftssytem real auf genau eine einzige Weise vermehrt: Es wird Realvermögen erwirtschaftet und dieses Realvermögen wird beliehen.

Demgegenüber gibt es noch eine nominelle Geldvermehrung: Durch die (nota bene: gewollte) Inflation werden Löhne und Preise kontinuierlich erhöht (“Geld entwertet”), dadurch werden die Zahlen zwar größer, aber die Tauschwertverhältnisse von Gütern und Leistungen ändern sich dadurch nicht, auch die Gütermenge wird dadurch nicht verändert.

In Summe passiert beim Josephspfennig also sehr viel, aber geschehen tut nix. So wie beim alten Politikerspruch: “Es muß was passiern! Aber es darf nix geschehen!”. Das ganze Ding ist Killefit und Weiße Salbe, um die Zuhörer zu beindrucken.

Beispielhaft für vieles bringe ich hier mal eine Auswahl des Unsinns, der zu dem Thema kursiert und vor allem in bildungsfernen Schichten verfängt.

Es beginnt mit dem Blödsinn der angegeblichen der “Geldschöpfung”. Dieser (in meinen Augen völlig idiotische) Begriff wird sogar noch geadelt, indem die Bundesbank in ihrem Glossar einen Artikel widmet. Das Zentralorgan des Deutschen Marxismus-Leninismus, die Zeitung für Weltrevolution und Sozilalismus raunt dann auch Fragen wie Wie kommt Geld in die Welt" in die Welt, vor meinem geistigen Auge erscheint Miss Dr. rer. sichunterfordertfühl volens habil. Selma Howsfrau (credits to "MAD"), die "auf den Punkt kommt", indem sie mit dem Zeigefinger Löcher in die Luft sticht und verzweifelt Intelligenz emuliert. Mit solchem Schwachsinn hat man mich im realen Leben in zwei Minuten auf 180.

In den Medien kriegen wir dann solchen Schwachsinn zugemutet:

oder solchen:

Nun ist die Quelle dieses Bildes keine seriöse Quelle. Freilich ist sie exemplarisch. Mal wird Geld von den Illuminaten "aus dem Nichts" geschöpft, mal von der Fed, die natürlich nicht staatlich sei sondern eine private Firma, die dem Rothschilds und Warburgs gehöre. Man getraut sich nicht zu schreiben: "Die Fed gehört den Juden". Aber spätestens seit Machwerken wie dem Goldschmied Fabian ist klar, woher diese braune Sauce stammt. Wenn man also solchen Mist wie "Geldschöpfung aus dem Nichts", "Die Fed ist eine private Firma" etc. liest: Sammeln, beim Staatsschutz abgeben, und sich nicht wundern, wenn solche Braunhemden selbst die Polizei noch mit dem Horst-Wessel-Lied empfangen.

Einzig Marc Meyer stellt die Situation in seinem Blog richtig dar. Die Kernaussage von Marc Meyer läßt sich kurz und simpel zusammenfassen.

Es sind nicht die Banken, die den Nichtbanken Geld leihen, vielmehr ist es genau umgekehrt: Es sind Nichtbanken, die den Banken Geld leihen.

Und für den Fall eines kapitalistischen Wirtschaftssystems, also z.B. des Muttismus, das ist die uckermärkische Version von Linsen, Spätzle und Saiten, sind es vor allem die Unternehmen, die den Banken Geld leihen.

Bereits der Wikipedia-Artikel weist darauf hin, daß Rice keine Faktoren berücksichtigt, die das Wachstum der angelegten Geldmenge begrenzen könnte. Das kann, sofern man von Godlmünzen als Geld ausgehen, simpel die Menge des auf der Erde verfügbaren Goldes sein. Trotzdem schwadroniert hier jemand darüber, wie man “Geld nach dem Prinzip des Josephspfennig richtig anlegen” kann.

Dieser Tobsuchtsanfall könnte durchaus von mir sein, vor allem stellt er aber mal die Frage: “Und überhaupt: Wie realistisch ist es denn, dass es 5 % Zinsen gibt? Und dann auch noch risikofrei. Und welche Bank erlaubt die Anlage über so lange Zeit? Immerhin ist der Zins ein Ergebnis aus Angebot und Nachfrage und welche Bank würde dieses Angebot machen?”, freilich geht es gar nicht darum, was Banken können oder nicht.

Es geht darum, ob eine Exponentialfunktionen in der Zeit ein Bankguthaben überhaupt zutreffend modelliert oder nicht. Und das ist eben dieser bildungsferne Abduktionsschluß: Da is was also is da was und ich habe Expo inne Schull jehabt, also isses das. Über Modellbildung und Modellüberprüfung wird kein einziges Wort verloren, es wird einfach irgend etwas gelabert.

Und hier steuert auch noch der Deusche Freiwirtschaftsbund e.V.  eine rührende Geschichte bei.

Die Analogie zu Kettenbriefen ist augenfällig. Einmal in der Kritik des “leistungslosen Geld verdienens” was durch Zinsen möglch sei, bei Kettenbriefen erfolgt dieser Verdienst durch Zahlungen von Teilnehmern etwa an den erstgenannten auf einer Namensliste, die im Kettenbrief steht. Letztlich soll die Josephspfennig-Geschichte die Art des Geld verdienens kritisieren. Ein weiteres ist die Geldmenge: Auch Kettenbriefe funktionieren nur, wenn unerschöpflich viel Geld aufgebracht werden kann. Eben weil dies nicht der Fall ist, wird bei Kettenbriefen letztlich immer dasselbe Geld immer nur zwischen den Teilnehmen umverteilt.

Und hier versucht mal wieder jemand zu denken. Wenn auch etwas durchwachsen. Gute Frage

Und hier spricht Dr. Wo. http://www.meudalismus.dr-wo.de/html/geldwesenkritik.htm

Und hier wieder mal ein Geldschöpfungsesoteriker. http://www.geldsystem-verstehen.de/geldsystem-erklaert/zins-zinseszins/

https://zinsfehler.wordpress.com/2013/08/21/zinsmythen/ Ein recht ordentlicher Beitrag. Vor allem wird einmal darauf eingegangen, was sich hinter dem Schlagwort “Zinsen” überhaupt verbirgt. Ich würde mir wünschen, daß nicht nur auf Kreditzinsen eingegangen wird sondern auch auf Guthabenzinsen.

Und wie üblich besonders reizvoll: Die Piraten zum Thema Sparzinsen. Besonders apart ist die Auffassung der Piraten, warum Banken Spareinlagen annehmen. Man ist da immer so auf den “Geldschöpfungsgedanken” fokussiert, daß um Gottes Willen Banken keine Einlagen von Sparern verleihen dürfen. Hierzu verweise ich auf Wie Banken zwar Geld "aus dem Nichts" schöpfen. Warum sie das aber nur können, wenn sie dafür eigene Vermögenswerte einsetzen. Banken brauchen Einlagen bei der Notenbank u.a. als Vermögenswert, um Zahlungen an andere Banken zu überweisen, ebenso als Mindestreserve für Sichteinlagen. Aus diesem Grund werden Banken auch immer um Kundeneinlagen werben und dafür auch Guthabenzinsen zahlen. Letztlich leihen sich Banken über das Einlagengeschäft Geld von ihren Kunden, die insbesondere für geübten Konsumverzicht entschädigt werden wollen. Auch haben Geschäftsbanken nur eine Kasse. Dort liegendes Geld hat keine Farbmarkierungen oder dergl., wem es “gehört”, freilich werden Bareinzahlungen in die Kasse einer Geschäftsbank je nach Buchungsvorfall unterschiedlich gebucht und folglich bei einer Bareinzahlung im Gegenkonto berücksichtigt, wem das Geld gehört. Spareinlagen bei einer Bank sind aber keine Sondervermögen, die im Vermögen der Bank nicht auftauchen.

Eine Stereotype, die in der ganzen “Geldsystemkritik” immer wieder auftaucht ist die Gegenüberstellung von armen abgezockten Zinsknechten und den Geldverleihern, gar Geldmachern. Wobei Herr Geldmacher mit Vornamen gefälligst Yehuda oder Ephraim zu heißen hat. Egal, ob es um den Goldschmied Fabian geht oder um die Geldschöpfung aus dem Nichts oder die Zinskritik, das ganze ist im Kern gar zu oft Judenhass im neuen Gewand. Und hat sich seit Gottfried Feder und Joseph Goebbels bis auf den heutigen Tag nicht geändert.

Und in gewisser Weise erfüllen Banken in der politischen Diskussion heute genau denselben Zweck wie die Juden im “Dritten Reich”, sie gelten als die Wurzel allen Übels. Vermutlich ist dieses Denkmuster in unserer Kultur begründet, daß wir immer nach monokausalen Erklärungen suchen und für alles und jedes konkrete Schuldige benennen wollen.

Leider werden wir die Probleme der Wirtschaft mit dieser unterkomplexen Herangehensweise nicht lösen können.