Zins und Inflation

Einleitung

Beides sind Dauerbrenner in der Diskussion und ich kann nur versuchen, hier aus meiner laienhaften Sicht etwas zum Verständnis beizutragen. Auch hierzu gibt es eine interessante Diskussion auf Facebook und ein ganz vernünftiges Video: Woher kommen die Zinsen? Alternative Geldsysteme.

Flamewars sind toll :-)

Jens Berger übte auf den Nachdenkseiten Kritik an der Zinskritik - und die Antwort eines Egon W. Kreutzer ließ nicht lange auf sich warten. Offenbar hat Jens Berger mehr ins Schwarze getroffen als er je zu hoffen wagte ;-)

Warum gibt es Zinsen?

Zunächst einmal verweise ich auf den Wikipedia-Artikel zu Zins, wobei ich von den Zinstheorien, die Zinsen begründen sollen, einmal

als mir besonders eingängie Begründungen herausgreife. Diese Auswahl ist freilich willkürlich und steht in keinem Widerspruch zu Jens Berger. Auch kann ich mir das ganze auch viel einfacher machen: Es steht Egon W. Kreutzer jederzeit frei, sich Geld von einem Gläubiger zu leihen, der keine Zinsen haben will.

Er wird nur keinen finden. Selbst bei islamsichen Banken wird das islamische Zinsverbot umgangen.

Man mag diesen Umstand beklagen, wir begegnen hier der normativen Kraft des Faktischen.

Zinsen sind Eträge

Das ist so simpel, daß ich es extra hinschreibe. Buchhalterisch sind Zinsen Erträge. Wie immer ich Zinsen begründen mag, Wenn eine Bank einem Schuldner Geld leiht und dies unbar auf dessen Konto bucht, verlängere sie ihre Bilanz: Auf der Aktiv-Seite bucht sie die Forderung gegen den Schulder (Ativmehrung, Soll), auf der Passivseite mehrt sie das Guthaben des Schuldners (Verbindlichkeit an den Schuldner, Passivmehrung, Haben), im G&V Konto mehrt sie einen Ertrag (Haben).

Wie werden Zinsen gezahlt, wo kommt das Geld her?

Die meisten "Wissenden" in Geldfragen umgeben sich mit der weihevollen Aura des eingeweihten, sie raunen, rollen mit den Augen, sie wissen was Geld "ist", wer es "schöpft" und erzählen allerlei sonstigen Scheiß. Und überrumpeln den armen Zuhörer mit einer typischen "das wollte ich schon immer mal wissen und habe darüber noch nie nachgedacht" Frage, solche gibt es nicht, denn wenn man nie über etwas nachgedacht hat, wollte man es auch nie wissen. (Und will es jetzt auch nicht.)

Diese "Bumsus Überrumpulus Rhetorik" treffen wir in jedem Evangelisationszelt, wo dann irgendwelche religiösen Schwärmer Füxe keilen. (Und auch beim Vorwerk-Vertreter.) (Keine Sorge, wenn Sie keinen Teppich haben und sich auch nie einen anschaffen wollten, auch nicht wollen, wenn Sie auch keine Polstermöbel haben, dann brauchen Sie auch keinen Staubsauger, Sie haben dann auch wirklich nicht überlegt, einen zu kaufen, Sie können den Vereter also wieder heimschicken.) (Außer Sie haben sexuell ausgefallene Bedürfnisse.)  (Unsere amtierende Bundesarbeitsministerin hat über Entspannungsbäder in der Geburtsvorbereitung promoviert, damit dürfen wir Promotionsverfahren als ordnungsgemäß gegendert betrachten.)

Zur Beantwortung der Frage verweise ich auf meinen Text Forderungen und Verbindlichkeiten im Rahmen meiner Hörmann-Kritik. Der wesentliche Punkt ist:

Es ist dabei im buchhalterischen Sinne gleichwertig, eine Forderung als Gut oder Leistung zu notieren und dabei in Geldeinheiten zu bewerten, oder "nur" den Geldbetrag zu notieren. In der Schrift Geldwirtschaft (Seite 10) zitiert Heinz-Peter Spahn dazu Sir Ralph George Hawtrey mit dem Satz "Eine Schuld ist im Grunde eine Verpflichtung, nicht Geld, sondern Güter (wealth) hinzugeben." Hierzu verweise ich auf das Bedeutungsfeld des Wortes "wealth" im Englischen. Merke aber ausdrücklich an, sonst käme dsa zu kurz, daß ein "Gut" auch äquivalent eine (Arbeits-)Leistung sein kann, die der Gläubiger als Begleichung der Schuld akzeptiert. Grundlage hierzu ist, wie eingangs in diesem Abschnitt immer der Vertragsschluß, in dem Güter oder Leistungen monetarisiert werden.

Diese buchhalterische und ökonomische Gleichwertigkeit von monetärem Wert und realwirtschaftlicher Lieferung bzw. Leistung ist das ganze Geheimnis von "Geld".

Es ist also völlig belanglos, ob ich meine Zinsen in "Geld" zurückzahle oder ob ich meinem Schuldner die Kehrwoche mache (Wolfgang Thierse weiß nicht, was das ist) oder ein Blech Onderleibskucha vorbeibringe. (Wolfgang Thierse weiß noch viel weniger, was das ist.)

Vorausgesetzt, mein Gläubiger bewertet Kehrwoche oder Kuchen als ausreichend zur Zinszahlung, aber das ist ein Problem der Vertragsverhandlung.

Die ganze "Wissendenschar", die Geld als "Schöpfung" von Juden, Freimauerern oder Illuminaten sieht, hat die genannte Äquivalenz durch die Bank nicht kapiert und hat nicht kapiert, daß Geld "susbstanziell" gar nicht existiert - es ist ein Verrechnungsvehikel für Forderungen und Verbindlichkeiten, nicht mehr und nicht weniger.

Grundsätzlich würde die ganze Wirtschaft sogar ohne Banken funktionieren. Wir würden Verbindlichkeiten mit abgetreten Forderungen bedienen und alles wäre gut. Die Einführung von Banken vereinfacht das ganze, weil Banken ihren Gläubigern gegenüber in "Notarshaftung" treten und das Beitreiben von Forderungen handhabbar machen.

Es ist daher auch unsinnig, von "Geldschöpfung" zu sprechen: Das ganze Geldsystem ist ein System dokumentierter Forderungen und Verbindlichkeiten. Dazu muß niemand Geld "erschaffen" oder "vernichten".

Aber der Zins erhöht doch die Geldmenge!

Na und?

Geld ist und bleibt ein Verrechnungsvehikel, bei dem wir uns irgendwann mal auf eine Einheit geeinigt haben. Es ist nicht wichtig, wieviel Geld ich für ein Huhn zahle, es ist wichtig, wie viele Brötchen ich für ein Huhn zahle.

Und damit ich es beim Händler leichter habe, rechne ich mit dem nicht in Huhn und Brötchen sondern gebe für beides einen Wert bezogem auf ein Wertnormal an. Interessieren tut mich das Wertverhältnis, der absolute Preis ist völlig belanglos, damit ist am Ende auch die Geldmenge belanglos.

Die Monetaristen sehen das anders. Nun, über sexuell ausgefallene Bedürfnisse habe ich bereits gesprochen.

Zinsen sind, ich schrieb es bereits, Erträge. Und natürlich, dazu reicht ein Blick in eine beliebige Bilanz, erhöhen Erträge die Bilanzsumme eines Wirtschaftssubjekts. Auf Flassbecksch heißt das dann: "Die Inflation kommt von den Löhnen!", ja, und Zinsen gehören zu den Löhnen, das sind nämlich Löhne für Finanzdienstleistungen.

Bevor mir jetzt jemand mit Wucherzinsen kommt: Wenn ich bei meinem Auto die Reifen tauschen lasse (passend zur Wintersaison) und der Mensch an der Tanke verlangt dafür 2000,- € ist das auch Wucher.

Überall dort, wo Erträge erwirtschaftet werden, verlängern diese Erträge Bilanzen - und wenn Wirtschaftssubjekte ihre Aktiva bei Banken investieren, die entstehenden Verbindlichkeiten von Banken gegenüber Nichtbanken werden als Geld bezeichnet, entsteht Geld und es wird eine Geldmenge vergrößert.

Geld "entsteht" aus Erträgen. Es wird erwirtschaftet und weder geschöpft noch erschaffen noch sonst was.

So einfach ist das.

Und es kommt sogar noch schlimmer: Erträge sind nichts schlimmes! Erträge bedeuten nämlich auch Wachstum.

Wachstum

Grundsätzlich verweise ich auf den Wikipedia-Artikel zu Wirtschaftswachstum. Dennoch bleibe ich kurz bei der Frage: Was ist Wachstum denn überhaupt? Und ich schließe mich hier dem Sprachgebrauch von Ralph Hawtrey sicher richtig an wenn ich sage: Die Menschen wollen zunächst einmal "wealth", und das lasse ich jetzt bewußt mal in Englisch stehen. Das Bedeutungsfeld des Wortes ist in Englisch nämlich differenzierter als in Deutsch.

Es geht nicht um gieriges Zusammenraffen von Gütern, es geht darum, daß ein Land seinen Wohlstand mehrt, seinen Lebensstandard sichert. Umd dies gilt auch für Haushalte, Unternehmen und den Staat. (Welcher Vollidiot die Bundesrepublik Deutschland auf die Idee gebracht hat, serienweie Tafelsilber zu verschleudern, ich denke z. B. an die Bahnprivatisierung, weiß ich nicht. Ich muß das auch nicht verstehen. Sinnvolles "Sparen" besteht im Investieren - und idealerweise sollten diese Investitionen werterhaltend sein, d.h. man hält - und unterhält Investitionnsgüter, aber wir kennen das ja von Hartz IV, wo Menschen ihre ganzen Rücklagen verschleudern müssen. Da brauche ich keine PISA Studie um zu sehen, daß wir in Deutschland nicht rechnen können, es reicht, wenn ich mir den Megaschwachsinn ansehe, der in Deutschland "Wirtschaftspolitik" genannt wird. Wer immer dafür verantwortlich ist, rechnen kann der nicht.)

Eine Privatperson tut das durch "Sparen", also Konsumverzicht. Und (vorgestern, ich schreibe dies am 1. November, war Weltspartag) dazu bringt eine Privatperson ihre "Ersparnisse" in aller Regel zur Bank: Die Privatperson investiert.

Ein Unternehmen "kapitalisiert" einen Überschuss (ein Unternehmen muß von seinen Erträgen auch seine laufenden Kosten decken, in der G&V Rechnung tauchen daher neben Erträgen auch Aufwendungen auf) indem es investiert. Das bildet das Modell vom einfachen Wirtschaftskreislauf nicht ab, dieser geht von einem statischen Modell ohne Wachstum aus.

Erweiterungen des Wirtschaftskreislaufes, die das Wachstum beschreiben, sind Gegenstand der Wachstumstheorie. Soweit ich das verstehe, fügt sich das ganze z. B. in die Quantitätsgleichung auf die Art ein, daß Wachstum eine Zuname der Güter, also Investitions- und Konsumgüter, bedeutet. Und diese Zumnahme der Gütermenge führt zu einer Zunahme der Geldmenge.

Nota bene: Die Gütermenmge führt zum Wachstum der Geldmemge - und nicht umgekehrt. Zu den Konsumgüterm gehört auch vergütete Arbeitsleistung. (Wir erinnern uns an Heiner Flassbeck!) Und hier kann ich mir die Anmerkung nicht verkneifen: In einer funktionierenden Volkswirtschaft darf es nur vergütete Arbeitsleitung geben. Und nicht serienweise Praktika, "Arbeitsgelegenheiten" oder anderen arbeitistischen Schwachsinn.

Auf der verlinkten Webseite findet sich folgendes Zitat.

Das Verhältnis des Arbeiters zur Maschine, des kollektiven Arbeiters zur Lohnarbeit ist Lichtjahre von diesem republikanischen Gewäsch entfernt. Karl Marx beschrieb das folgendermaßen: »Der Arbeiter fühlt sich daher erst außer der Arbeit bei sich und in der Arbeit außer sich. Zu Hause ist er, wenn er nicht arbeitet, und wenn er arbeitet, ist er nicht zu Haus. Seine Arbeit ist daher nicht freiwillig, sondern gezwungen, Zwangsarbeit. Sie ist daher nicht die Befriedigung eines Bedürfnisses, sondern sie ist nur ein Mittel, um Bedürfnisse außer ihr zu befriedigen. Ihre Fremdheit tritt darin rein hervor, daß, sobald kein physischer oder sonstiger Zwang existiert, die Arbeit als eine Pest geflohen wird. (...) Es kömmt daher zu dem Resultat, daß der Mensch (der Arbeiter) nur mehr in seinen tierischen Funktionen, Essen, Trinken und Zeugen, höchstens noch Wohnung, Schmuck etc., sich als freitätig fühlt und in seinen menschlichen Funktionen nur mehr als Tier. Das Tierische wird das Menschliche und das Menschliche das Tierische.« (Karl Marx: »Ökonomisch-philosophische Manuskripte«, in: MEW, Ergänzungsband, S. 514 f.)

Jetzt fehlt nur noch die Kurve zu den Preisen und den
Invesitionsgütern. Und die Kritik an Feder, der nicht kapiert, daß
Vergütungen vereinbart sein müssen und Erwerbsarbeit ohne Vergütung
nicht geht. Wenn da Gottfried Feder oder Franz Meurer was anderes
behauptet, ist das bei beiden Käse. Ganz wichtig ist auch wieder der
Wirtschaftskreislauf. Erträge gehen nicht vollständig in die
Geldmenge. Hier muß ich auf "Konsum" und "Investitionen" eingehen.

Zinskritik und Antisemitismus

Bei etlichen Esoterikern, dazu zähle ich jetzt mal die Zinskritik von Gsell oder Feder, ist Zins etwas künstliches, es ist nicht gerechtfertigt - es ist, bringen wir es in der Gedankenwelt der Kriker auf den Punkt, jüdisch. Siehe dazu auch meine Kritik am Goldschmied Fabian. Wenn es in Deutschland einen latenten Antisemitismus gibt, dann ist es die Zinskritik. Geld ist demnach jüdisch, eine jüdische Erfindung, nur Juden schaffen Geld, Nichtjuden können kein Geld schaffen und zahlen dafür den Juden Zinsen mit ihrem Leben - oder einem Pfund Fleisch aus ihrem Körper. Das ist der eigentliche Hintergrund der Zinskritik auch wenn unser Beard- and Dressman vom Parkett das immer so nett im Sepplpfennig verpackt.

Es ist schon irrwitzig, daß eine Sachdiskussion zum Thema rituelle Beschneidung als antisemitisch empfunden wird - aber wenn Dirk Müller Abend für Abend von einer Talkshow zur nächsten rennt und abgedroschenste Jud Süß Polemik runterleiert, wenn auch "hübsch" verpackt und Lanz & Co. merken das nicht, dann stört das keine Sau.

Von Feder bis Müller ist die Zinskritik nichts anderes als "Zins ist jüdisch, der Jude saugt uns aus", wenn auch nur mit etwas politisch korrekteren Worten. Bei Gunnar Heinsohn, dessen Vater im WK II U-Boot Kommandant war und der aus Gotenhafen stammt, könnte ich das ganze ja noch halbwegs einordnen, zumal Heinsohn nicht zwingend durch "unvölkische" oder sonstige linksgerichtete Propgaganda bekannt ist, aber bei Müller frage ich mich, ob es schier Blödheit ist oder er das wirklich nicht merkt.

Noch einmal: Bei der Beschneidungsdiskussion waren hier manche Leute kurz vorm Herzinfarkt - daß aber bei der Zinskritik die von Nazi-Ideologe Gottfried Feder in die deutsche Bevölkerung reingehämmerte Haltung vom "Juden, der den Deutschen mit dem Zins den Lebenssaft aus der Wirtschaft zieht" vom Säugling bis zum Greis in der ganzen Bevölkerung eingebrannt ist, scheint wirklich niemandem aufzufallen. Bzw. kaum jemandem, Wolfgang Lieb von den Nachdenkseiten hat zum Thema Gunnar Heinsohn und die Aufartung des deutschen Volkes beachtliches geschrieben.

Insofern sollte auch Dirk Müller langsam mal kapieren, welche Morgenröte hier Morgenluft schnuppert.

Und von Hubers Vollgeld bis zum Fließenden Geld oder Freigeld ist die ganze "Dinggelddenkerei" im Grunde nichts anderes als offener Judenhass - und es wird Zeit, daß das mal jemand sagt und hier den Finger auf die wunde Stelle legt. Zumal hier wirklich mit unbewussten Klischees gespielt wird - und das verdammt virtuos. Ich persönlich halte Müller für so schlicht, daß er den Käse vom Sepplpfennig wirklich glaubt - und gar nicht merkt, was er da treibt. (Sollte ich ihn mal treffen, können wir ja mal vn der Stuttgarter Börse zum Joseph-Süß-Oppenheimer-Platz rüberlaufen, dann erklär ich ihm das mal, vielleicht dämmerts dann ja.)